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  Die unvollendete Brockenfahrt

Seit langer Zeit war geplant, die traditionelle winterliche Bahnfahrt auf den Brocken in diesem Jahr am 22. Februar durchzuführen. Für diesen Termin wurde entsprechend geworben, so dass sich 250 Fahrgäste beim Freundeskreis Selketalbahn e. V. (FKS) anmeldeten. Niemand hatte allerdings damit gerechnet, dass im Kalendermonat Februar ein Sturmtief das nächste jagt. Und so sorgte auch an jenem Wochenende das Sturmtief Xanthippe dafür, dass der für diese Sonderfahrt entworfene Fahrplan nicht so umgesetzt werden konnte wie geplant.

Die Sturmwarnung vom Freitag, dem 21. Februar 2020 veranlasste die Harzer Schmalspurbahnen GmbH (HSB), die Brockenstrecke ab Schierke zu sperren. Viel zu riskant erschien der Betriebsleitung das Unterfangen, bei Orkan auf den höchsten Harzgipfel zu fahren. Umgestürzte Bäume hätten die Strecke auf der Hin- oder Rückfahrt versperren können, die Fahrgäste und das Zugpersonal hätten auf unabsehbare Zeit in den Zügen ausharren und auf eine Rettung bzw. Beräumung der Strecke warten müssen. So entschied man rechtzeitig, die Brockenfahrten einzustellen und jedwedes Risiko zu vermeiden. Auch ein Aufenthalt auf der Brockenkuppe selbst ist bei Sturmstärke alles andere als eine vergnügungssteuerpflichtige Angelegenheit. Die Fernsehbilder von unverdrossenen Wanderern sind hinreichend bekannt: Sie befinden sich in Lebensgefahr, selbst wenn sie auf allen Vieren „unterwegs“ sind.

Insofern wurde das Angebot der HSB dankend angenommen, anstelle des höchsten Harzgipfels Wernigerode – die „bunte Stadt am Harz“, – anzufahren. Da die Fahrtstrecke ungefähr gleich lang ist, konnten die Ankunfts- und Abfahrzeiten unverändert bleiben. Die Versorgung mit Speisen und Getränken während der Fahrt durch den Harz lief in unverändertem Umfang. Vor Ort wurde den Fahrgästen angeboten, entweder die HSB-Werkstatt am Bahnhof Westerntor zu besichtigen oder einen ausgiebigen Stadtbummel durch die sehenswerte Stadt am nördlichen Harzrand zu unternehmen. So blieben am Hauptbahnhof Wernigerode – dem Endpunkt der Fahrt – neben dem HSB-Personal nur die begleitenden Vereinsmitglieder zurück, die den leeren Zug nutzten, um für die geplante Rückfahrt ein wenig in den Waggons aufzuräumen.
Auf dem Bahnsteig in Wernigerode legten die Windstärken ebenfalls allmählich zu, das war deutlich spürbar. Und so kam nach einer guten halben Stunde nach der Ankunft am Hauptbahnhof per Funk die Mitteilung der HSB-Betriebsleitung, dass die Rückfahrt des Sonderzuges von Wernigerode nach Gernrode ausfallen müsse, weil der Sturm im Harz so zugenommen habe, dass nicht mehr garantiert werden könne, dass der Zug sein Ziel Gernrode erreichen werde. Später erreichte die Vereinsmitglieder der Hinweis, dass im Streckenabschnitt zwischen Eisfelder Talmühle und Stiege durch den heftigen Wind Bäume umgestürzt seien und das Gleis versperren würden. Eine Rückkehr zum Ausgangsbahnhof war somit durch den Harz nicht mehr möglich. Alsbald wurde damit begonnen, den Zug auszuräumen. Sämtliche in Gernrode eingeladenen Speisen- und Getränkevorräte, Souvenirs, Küchengerätschaften und sonstige Dinge wurden in Wernigerode ausgeladen.
Innerhalb von zweieinhalb Stunden konnten vier Busse organisiert werden, die die Fahrgäste zurück zu den Einstiegsbahnhöfen Straßberg, Alexisbad und Gernrode brachten. Die pünktlich zur geplanten Abfahrtszeit des Zuges eintreffenden Fahrgäste waren natürlich überrascht, die Rückfahrt nicht mehr auf den Schienen antreten zu können. Es bestand allerdings bei allen die einmütige Auffassung, dass weder die HSB noch der Freundeskreis gegen diese Form der höheren Gewalt etwas ausrichten könne. So endete diese Sonderfahrt des FKS früher als geplant. Es konnte auch bewerkstelligt werden, den vereinseigenen Transporter aus Gernrode nach Wernigerode zu holen, um alle Utensilien vom Bahnsteig verladen zu können. Einzelne Vereinsmitglieder begleiteten die Fahrgäste in den Bussen, andere fuhren per PKW und im Transporter zurück und der Rest des Helferkollektivs kam schließlich doch noch in den Genuss einer Bahnfahrt. Sie stiegen in Wernigerode in eine Regionalbahn, um über Halberstadt und Quedlinburg den „Heimatbahnhof“ Gernrode zu erreichen. Nachdem dort alles verstaut war und die Helfer ihre Heimreise antraten, öffnete Petrus die Himmelsschleusen und es setzte ein kräftiger Regen ein. Doch dieses Ereignis kümmerte den Helferkreis nur noch am Rande.

Andreas Studte